Was kostet denn nun eine Stunde wirklich?
Ich bin seit vielen Jahren als Hauslehrer tätig und muss mich immer wieder wundern, welche Preise für Nachhilfe teilweise aufgerufen werden – nach oben, wie nach unten. In meinem Blog schreibe ich darüber, was es bedeutet als Lehrender selbstständig zu sein. Das Thema heute: Der Preis der Nachhilfe – Teil I
Zur Orientierung möchte ich die Antwort vorweg geben. In einem einfachen Fall, in dem keine besonderen Umstände zu berücksichtigen sind, können wir jetzt schon feststellen, dass 20 Euro für eine Dreiviertelstunde Unterrichtzu wenig sind.
Betrachten wir zunächst im ersten Teil den Lohnaspekt, also eine Situation, in der der Nachhilfelehrer bei einem
Nachhilfeinstitut angestellt ist. Das Mindestlohngesetz fordert einen Mindestlohn, der per Januar 2020 zu 10,50 € je Stunde festgesetzt ist. Geht man vom für das Institut günstigsten Fall eines geringfügig
entlohnten Beschäftigungsverhältnisses aus, so fallen neben der Unfallversicherung zunächst mal 21 % Abgabenpauschale anstelle der sonst üblichen Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und
Umlagen an. Vernachlässigt man unrealistischerweise Materialkosten, Reisekosten und Reisezeiten ergeben sich damit Netto-Selbstkosten von 12,71 € je Stunde. Der Arbeitgeber muss neben der
Arbeitszeit beim Klienten allerdings auch die Arbeitszeit des Nachhilfelehrers zahlen, die er nicht beim Klienten verbringt. Hierzu zählen beispielsweise die Vor- und Nachbereitungszeiten des
Unterrichts, unter gewissen Umständen sogar Reisezeiten (was hier nicht berücksichtigt werden soll). Setzt man die zwingend notwendigen Vor- und Nachbereitungszeiten mit 15 Minuten je
Dreiviertelstunde Unterrichtszeit an (das ist nach Ansicht des Autors die minimal benötigte Zeit und sehr häufig sogar höher anzusetzen), ergibt sich damit ein Selbstkostensatz von 16,94 € je
Stunde netto. Beim Endverbraucher ist dann auch die Umsatzsteuer anzusetzen, wenn nicht von besonderen Regelungen Gebrauch gemacht werden darf. Im Falle eines Nachilfeinstituts sind solche
Umstände regelmäßig nicht erfüllt und die minimalen Kosten der Dreiviertelstunde Unterricht beim Klienten ergeben sich zu 20,16 €.
Fazit: Arbeitet ein angestellter Nachilfelehrer für diesen Preis oder darunter, wird entweder die Dienstleistung unter Selbstkosten angeboten, da bestimmte Zeiten und Kosten ganz oder teilweise vernachlässigt werden (Unfallversicherung, Wegezeiten, Krankheit, Urlaub, Material, Reisekosten, zusätzliche benötigte Vor- und Nachbereitungszeiten), oder der Nachhilfelehrer erhält nicht den gesetzlichen Mindestlohn. In jedem Fall ist ein Preis von 20,16 € je Dreiviertelstunde Unterricht unzulässig und führt in diesem Fall zu Problemen für das Nachhilfeinstitut. Im ersten Fall, in dem es unter Selbstkosten verkauft, macht sich das steuerlich bemerkbar - es drohen Probleme mit dem Finanzamt. Im zweiten Fall ist es sogar gesetzeswidrig und das Nachhilfeinstitut schuldet dem Nachhilfelehrer den branchenüblichen Lohn. Beide Situationen können dem Nachhilfeinstitut „das Genick brechen“.